Betrogenes Brandenburg

Was passiert, wenn man das Land Brandenburg um 200.000 Euro betrügt? Nix. Auch nicht, wenn die Betrüger vorbestraft sind und die Polizei gegen sie ermittelt. Im Gegenteil: Die Betrüger sind schillernde Geschäftsleute, die Millionen mit  Flüchtlingsheimen verdienen… die Brandenburger Behörden mieten. Mehr über das laxe Land in einem Artikel für die Super-Illu.

Erschienen am 25.7.24, Super Illu 31/24

Alte Häuser, frische Goldgruben

In Wusterhausen/Dosse und Flecken-Zechlin machten Geschäftsleute viel Geld mit alten Gebäuden. Sie sind wegen Betrugs vorbestraft, schulden dem Land Brandenburg rund 200 000 Euro. Die Behörden reagierten bislang kaum …

Flüchtlingsheim in Wusterhausen / Dosse, Brandenburg
Erst Schule, ab 1957 Kinderkurheim, seit 2014 Flüchtlingsheim – und lukrative Immobilie. foto agl

Die Lage ist idyllisch, ganz nah an einem See. Das Backsteinhaus steht etwas versteckt hinter alten Bäumen, am Rande der Kleinstadt Wusterhausen/Dosse, im brandenburgischen Landkreis Ostprignitz-Ruppin (OPR). Es wurde 1909 erbaut und hat eine bewegte Geschichte.

Einst war es eine Berufsschule für die Landwirtschaft, dann ein Ausbildungsort für Mädchen, später ein Lazarett für die Sowjet-Armee und ab 1957 das Kinderkurheim Georgi Dimitroff. Nach der Wende wurde daraus ein Mutter-Kind-Heim des Deutschen Roten Kreuzes. Über die Jahre hat es viele Menschen kommen und gehen gesehen – zuletzt eine Gruppe schillernder Geschäftsleute, die für so abenteuerliche wie lukrative Entwicklungen sorgten.

2014 kauften zwei Unternehmer dem Land Brandenburg das Gebäude ab. Der eine, Rainer Müller*, ist wegen Betrugs und Unterschlagung vorbestraft. Der andere, Hans Werner*, war erst Journalist und dann in der Solarbranche tätig. Die beiden zahlten dem Land 300.000 Euro und vermieteten das Gebäude als Flüchtlingsheim dem Landkreis. Der zahlte jährlich 180.000 Euro Miete. Den Mietvertrag unterschrieb Landrat Ralf Reinhardt (SPD). Bis 2010 war er Bürgermeister von Wusterhausen/Dosse.

Preisentwicklung des Heims in Wusterhausen: 2014 kostete es 300.000 Euro, 2022 sagenhafte 2,4 Millionen Euro. Im Karussell unten Auszüge der Kaufverträge

1,7 Millionen Euro Gewinn in zwei Jahren

2020 veräußerten die Unternehmer das Heim für den doppelten Preis, 730.000 Euro. Käufer war Maik Schuster*, gegen den aktuell die Staatsanwaltschaften Neuruppin und Berlin ermitteln. Der Verdacht: Bestechung und Insolvenzverschleppung. Schuster behielt das Haus nicht lange. 2022 reichte er es für den dreifachen Preis an eine GmbH weiter, für 2,4 Mio. Euro. Gewinn in knapp zwei Jahren: 1,7 Mio. Euro. Der Geschäftsführer der GmbH war wegen Betrugs und Urkundenfälschung vorbestraft, der Prokurist vertreibt gebrauchte Kraftwerke im Mittleren Osten über eine zweite Firma. Es stellt sich die Frage: Warum arbeiten Behörden mit vorbestraften Personen zusammen? Fast scheint es, als würden Unternehmer eher geschont als zur Rechenschaft gezogen.

Brandenburg, großzügig… und nachlässig

Als das Land Brandenburg das Haus 2014 zu einem günstigen Preis verkaufte, verlangte es als Gegenleistung eine Beteiligung, sollte das Gebäude irgendwann mit Gewinn weiterverkauft werden. Genau das geschah 2020. Aus dem Verkauf damals steht dem Land die Hälfte des Gewinns zu, 216.000 Euro – die aber nie flossen. Seit 2022 ist das Finanzministerium in Potsdam über den Vertragsbruch informiert. 2023 forderte es das Geld zurück, ohne Erfolg. Auf Nachfrage heißt es: Wir prüfen eine Klage.

Angesichts knapper öffentlicher Kassen überrascht diese Geduld. Im Vergleich zum Brandenburger Haushalt (16 Mrd. Euro) sind 216.000 Euro wenig Geld, aber damit ließen sich z.B. Schulräume sanieren.

Kaufvertrag: Brandenburg verkaufte 2014 ein Grundstück an vorbestrafte Geschäftsleute. Den Anteil an den Wieterverkäufen fordert es nicht ein,
Bei einem Weiterverkauf sollte der Gewinn mit dem Land Brandenburg geteilt werden. Doch das geschah nicht, Brandenburg lässt sich um 200.000 Euro betrügen. Foto agl

 

Das Haus der verlorenen Millionen

Das Gebäude in Wusterhausen war schon Jahre zuvor ein schwarzes Loch für Millionen. Das Mutter-Kind-Heim des DRK häufte über die Jahre einen Schuldenberg von drei Millionen Euro an. Unter den Gläubigern waren die Commerzbank und der Bund. 2006 rutschte das DRK Kyritz ging 2006 in die Insolvenz. Trotz langen Verfahrens fand sich kein Käufer. Der Fall war schwierig: Das DRK hatte das Gebäude nicht gekauft, sondern über ein Erbbaurecht gepachtet. Die Pacht war zweckgebunden, nur der Betrieb eines Mutter-Kind-Heims war erlaubt. Das war wohl für viele Investoren uninteressant.

Den eingangs erwähnten Geschäftsmann Müller schreckte das aber nicht ab. Bei einer Zwangsversteigerung erwarb er 2013 das Erbbaurecht. Damit konnte er das Gebäude als Mutter-Kind-Heim nutzen, das umliegende Grundstück gehörte jedoch immer noch dem Land. Trotz dieser Zweckbindung konnten er und sein Partner das Gebäude 2014 als Flüchtlingsheim an den Landkreis vermieten. Streng genommen war dies eine unzulässige Nutzung, auch wenn es nur wenige Wochen waren. Erst im Dezember 2014 wurde das Erbbaurecht aufgehoben und damit der Betrieb als Flüchtlingsheim rechtlich erlaubt. Die damalige Flüchtlingskrise erklärt die Kulanz, aber vermutlich war man sich der Unregelmäßigkeit bewusst. Denn einige Jahre später wurde der Beginn des Mietverhältnisses von Oktober auf Dezember 2014 abgeändert.

2015 teilten die beiden Eigentümer das Grundstück unter sich auf. Müller erhielt den größeren Teil, auf dem ein weiteres Gebäude stand. Das vermietete er 2017 dem Landkreis als Kita. Werner behielt den kleineren Teil des Grundstücks, auf dem das Heim stand.

Flüchtlingsheim in Flecken-Zechlin, OT Rheinserg, Brandenburg
Früher FDGB-Heim, heute Bruchbude, irgendwann Flüchtlingsheim. Bis dahin sprudeln Millionen. foto agl

Eine Million Euro Zuschuss für vorbestrafte Geschäftsleute

Ende 2021 kaufte Müller außerdem mit Schuster zusammen für 470.000 Euro ein verlassenes Hotel in Flecken Zechlin, Ortsteil von Rheinsberg. In der DDR war es das FDGB-Heim Adolf Giesecke. Zwei Monate später, im Januar 2022, mietete der Landkreis das leere Hotel als Flüchtlingswohnheim. Für die schnelle Renovierung wurden den Geschäftsleuten eine Million Euro Zuschuss zugesagt. 2022 wurden 500.000 Euro ausgezahlt – doch bis heute ist das Flüchtlingsheim nicht in Betrieb.

In der DDR war das Gebäude ein gepriesenes FDGB-Heim.
In der DDR war das FDGB-Heim in Flecken-Zechlin ein beliebtes Ausflugsziel.

Auch hier machten Müller und Schuster richtig Reibach: Im Juni 2023 verkauften sie das Hotel für den fünffachen Preis: 2,65 Mio. Euro. Käufer war erneut die gleiche GmbH, die das Heim in Wusterhausen kaufte. Grund für den Preissprung: der zehnjährige Mietvertrag mit dem Landkreis und die Jahresmiete von 420.000 Euro. Die fließt, sobald das Heim in Betrieb geht…

Ende 2021 wurde die Immobilie für 470.000 Euro gekauft… foto agl
Im Juni 2023 war das Gebäude 2,65 Millionen Euro wert: das Fünffache in anderthalb Jahren. foto agl


Unglaublich, wie viel
Geld sich mit alten Gebäuden verdienen lässt. Ob Flecken Zechlin oder Wusterhausen/Dosse – Millionen Euro landeten am Ende in den Taschen vorbestrafter Geschäftsleute. Das lässt Fragen aufkommen: Warum mietete der Landkreis in Flecken Zechlin von diesen Geschäftsleuten und nicht vom vorherigen Eigentümer? War in Wusterhausen eine Privatisierung tatsächlich notwendig? Hätte der Landkreis das Gebäude nicht direkt vom Land mieten können? So wären 1,6 Mio. Euro Steuergeld, die seit 2014 als Miete gezahlt wurden, in öffentlicher Hand geblieben. Anfragen an die Geschäftsleute blieben unbeantwortet, auch der Landkreis reagierte nicht auf Nachfragen.

(*) Namen von der Redaktion geändert

Autor: Adrian Garcia-Landa

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